Von Niki Eidgah, Werkstudentin
Mit dieser nüchtern-ironischen Feststellung begann ein außergewöhnlicher Vortrag, der im Rahmen unserer monatlichen Teamevent-Reihe stattfand. Eingeladen war Michael Karhausen, Journalist, Trainer und Manager bei der Deutschen Welle (DW).
In seinem Vortrag gewährte er dem NewMark-Team spannende Einblicke in die Arbeit des internationalen Senders: Von der Bedeutung des „Weltempfängers“ über die Rolle von Podcasts und KI bis hin zur Auslandsberichterstattung aus Kyjiw. Auch die Ausbildung junger Volontär:innen und die internationale Medienentwicklungszusammenarbeit am Beispiel Myanmar kamen zur Sprache.
Was zunächst wie ein eher ungewöhnliches Thema für unseren Arbeitsalltag erschien, entpuppte sich als lebendige, konkrete und politisch aufgeladene Reise durch die Welt des Journalismus und der Medienentwicklung mit einem eindrucksvollen Plädoyer für eine unabhängige und verantwortungsvolle Berichterstattung.
Mut zur Wahrheit
Die Deutsche Welle ist Deutschlands Auslandsrundfunk. Öffentlich-rechtlich der ARD zugeordnet, aber nicht aus Rundfunkbeiträgen finanziert, sondern aus Steuermitteln. Das macht die Finanzierung politisch – mit allen Chancen und Risiken.
Mit Programmen in mehr als 30 Sprachen erreicht die DW weltweit rund 320 Millionen Menschen per Video, Audio oder Text. Aber in vielen Ländern ist der Empfang verboten oder eingeschränkt, so zum Beispiel in Russland, China, Iran oder der Türkei. Und genau das sei Teil des Auftrags, so Karhausen. „Wenn Autokraten uns freundlich gesinnt wären, hätten wir was falsch gemacht.“
Berichtet wird dennoch über Umwege, VPN, Satellit, Partnerstationen. Von Bonn über Kyjiw bis Jakarta, von Podcasts bis zu YouTube-Kommentaren.
Geschichten, die kein Korrespondent erzählen könnte
Besonders eindrücklich: das Volontärsprojekt „Meine Oma, das Regime und ich“. Junge Nachwuchsjournalist:innen aus Ländern wie Kenia, Chile, Iran, Belarus und Brasilien haben hierfür mit ihren Großmüttern über den politischen Widerstand gesprochen, den ihre Familien unter unterschiedlichen Diktaturen geleistet haben, und über die Folgen, die daraus entstanden sind. Heraus kamen Geschichten, die nicht nur Historie greifbar machen, sondern für die die Produktion später auch mit dem CNN Online Award ausgezeichnet wurde. Ein Projekt, das so nur die Deutsche Welle erzählen kann – mit deutscher Perspektive und globaler Verwurzelung.
Pressefreiheit unter Druck
Ein zentrales Thema war die weltweite Erosion der Pressefreiheit. Laut „Reporter ohne Grenzen“ leben 86 % der Menschheit in Ländern mit eingeschränktem Zugang zu freien Informationen. Die Weltkarte der Pressefreiheit 2025, veröffentlicht von Reporter ohne Grenzen, zeigt dieses alarmierende Bild deutlich: Nur wenige Regionen – darunter Skandinavien und Portugal – erscheinen noch in Grün. Große Teile Asiens, Afrikas und des Nahen Ostens sind hingegen tiefrot eingefärbt, was auf eine „sehr ernste Lage“ hinweist. Die Karte wird Jahr für Jahr dunkler.
Umso wichtiger ist ein glaubwürdiges Gegenangebot – nicht durch Gegenpropaganda, sondern durch transparenten und unabhängigen Journalismus. Ziel ist es nicht, zu belehren, sondern Menschen zu befähigen, sich selbst ein Bild von der Welt zu machen.
Doch das gelingt nur mit der entsprechenden Sicherheit. Journalist:innen, die von der Deutschen Welle in Regionen mit heikler Sicherheitslage entsendet werden, müssen vorab Sicherheitstrainings absolvieren, oft durchgeführt in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr in Hammelburg. Gleichzeitig müssen Schutzstrukturen für gefährdete Reporter:innen aufgebaut werden. So gehörte etwa die Entwicklung von Evakuierungsplänen für Afghanistan, in Kooperation mit verschiedenen Bundesministerien, zu den Aufgaben der DW. All das ist Teil des journalistischen Alltags auch in der DW Akademie, einer Direktion unter dem Dach des Senders, die sich im Bereich Medienentwicklungszusammenarbeit engagiert und weltweit mit Partnerorganisationen zusammenarbeitet.
Zwischen Idealismus und Finanzierung
Ein weiterer Punkt blieb nicht ausgespart: Die Gratwanderung zwischen Relevanz, Quote und Finanzierung. Während Formate wie Jaafar Talk in der arabischen Welt für Diskussionen sorgen, debattieren Politik und Gesellschaft, ob der Auftrag der DW noch zeitgemäß sei. „Wir sind Teil der Softpower der deutschen Außenpolitik, aber journalistisch unabhängig“, fasste es Karhausen zusammen.
Die DW Akademie, hauptsächlich gefördert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), arbeitet weltweit mit lokalen Medienpartnern – vom Radiosender im Amazonas bis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Ukraine, der reformiert wurde.
Zukunft des Journalismus: KI, Haltung, Story
Die Deutsche Welle nutzt längst KI, beispielsweise für Übersetzungen, Untertitel und Recherche. Aber Karhausen betonte: „Wir brauchen Journalist:innen mehr denn je.“ Nicht nur als Faktenchecker, sondern als Erzähler:innen, Einordner:innen, Vermittler:innen. Besonders im digitalen Zeitalter, in dem jede:r senden kann – aber nicht jede:r Verantwortung übernimmt.
Formate wie Constructive Journalism, die nicht nur Probleme, sondern auch Lösungen zeigen, seien ein möglicher Weg.

Fazit: Mehr als ein Sender
Was bleibt von diesem Nachmittag? Eine Ahnung davon, dass Journalismus mehr ist als eine Nachrichtensendung. Dass hinter der Marke „Deutsche Welle“ Menschen stehen, die sich einsetzen – für Pressefreiheit, für Bildung, für Perspektiven. Und dass es sich lohnt, zuzuhören. Auch weil die Wellen manchmal aus weiter Ferne kommen.