Standortfaktor Fußball noch immer unterschätzt

Standortfaktor Fußball noch immer unterschätzt

Standortfaktor Fußball noch immer unterschätzt 1920 1440 Hubertus Väth

Beitrag von Dr. Lutz Raettig und Hubertus Väth in der Börsen-Zeitung

Er rollt wieder, der Ball. Nachdem das Corona-Virus die Spielerinnen und Spieler für mehr als zwei Monate vom Platz gestellt hatte, löste der Neuanpfiff der Bundesliga vor wenigen Spieltagen sehr kontroverse und hochemotionale Diskussionen aus. Videos, die die Missachtung aller Regeln zum „Social Distancing“ durch Spieler belegten, verbreiteten sich schnell und stempelten zuvor verehrte Stars zu negativen Vorbildern.  

Völlig zurecht wurden Fragen aufgeworfen, wie: Fehlen am Ende wichtige Testkapazitäten in sensiblen Bereichen, wie der medizinischen Versorgung, der Sicherheit oder der Bildung? Ob sie ausreichend beantwortet wurden, haben andere zu entscheiden. Klar ist jedoch: Die Signalwirkung im In- und Ausland ist erheblich und das existenzielle Risiko für die Vereine war nur allzu real.

Wie in vielen anderen Bereichen sind die langfristigen Effekte der Pandemie im Sport noch nicht abzusehen. Am Tag nach einem Spiel war Fußball zuvor ein beliebtes morgendliches Gesprächsthema. Marktkommentare waren gespickt mit Referenzen. Heute ist das Echo verhaltener. Waren es zuvor die Überraschungen, die dem Spiel die Würze gaben, so reflektiert heute die Rezeption der Spiele eher die Suche nach Bestätigung und Gewissheit. Die Rezeption eines Spiels ist und bleibt auch Spiegel des Zeitgeistes. Destination: offen.

Was also lässt sich in einer solchen Zeit des Umbruchs bereits an Gewissheit zum Thema Fußball und Finanzplatz festhalten? Da ist zum einen die leidige Tatsache, dass es immer nur Wahrscheinlichkeiten und eben keine Gewissheiten gibt; weder auf dem Spielfeld noch an den Finanzmärkten.

Hoher Mitteleinsatz für Stars, genaueste Analyse, Big Data, all das wird oft, aber eben nicht immer, belohnt. Es gibt keine Garantie für den Erfolg. Wird das Spiel abgepfiffen oder schließt der Markt, so sind Fußball und Finanzmarkt erbarmungslos. Ob Punkte und Tabelle oder Euro und Portfolio, nur das Resultat zählt. Fehler können, müssen aber nicht, zu Verlusten führen; gleich ob Fehlpass oder Fehlentscheidung. Gerecht, wie wir es heute oft verstehen, ist das alles nicht, oder eben doch? Auch SchiedsrichterInnen brauchen beide. Die, wie die EZB belegt, dann auch schon mal helfen.

Krisen stärken Starke

Klar ist auch, dass Fußballvereine wirtschaftlich unter Druck stehen und das sicher noch eine Weile bleiben werden. Es fehlen die Einnahmen der Zuschauer und der Fernsehrechte, da Wettbewerbe ausgesetzt werden oder gar ausfallen. Spannend dürfte daher die nächste Transfersaison werden. Ohne Zweifel werden Gehälter und Transfersummen unter Druck geraten. Gerade starke Vereine können sich so günstig Top-Talente langfristig und günstig sichern. Die finanziell Schwachen werden unter Druck geraten, ihre Finanzen aufzupäppeln und sich dazu von wichtigen Talenten zu trennen.

Ähnlichkeiten mit dem Finanzsektor sind nicht nur rein zufällig. Beide stehen vor der zentralen Frage: Wie sieht die Welt nach der Pandemie aus? Geht man voll ins Risiko, weil man an einen V-Aufschwung glaubt? Hält man das Pulver teilweise trocken, weil man ein W-Muster mit zweiter Welle erwartet? Oder ist man gar Pessimist, der ein L erwartet und daher konsequent Kosten und Risiken herunterfährt. Natürlich mit dem umgekehrten Risiko, dann aus dem Wettbewerb zu fallen.

Stadt als Nukleus

Eine weitere Parallele zwischen Finanz und Fußball erschließt sich nicht auf den ersten Blick, erklärt aber, warum Fußball so förderlich für den Finanzplatz ist. Beide ziehen moderne Nomaden an, die sich eben auch für die Attraktivität eines Standortes entscheiden. Gleichzeitig sind Fußballvereine und Finanzinstitute, trotz ihrer weltweiten Strahlkraft, fest in ihrer Stadt verankert.

Rahm Emanuel, ehemaliger Stabschef von Barack Obama und früherer Oberbürgermeister von Chicago, beschreibt in seinem Buch “The Nation City” eindrucksvoll die Rolle von Städten für die Wahl von Menschen, die sich bewusst für einen Ort, an dem sie leben und wirken wollen, entscheiden.

Das Herz eines jeden Vereins schlägt in seinem Heimstadion, das der Finanzinstitute in ihren Zentralen bzw. Börsen. Vereine tragen in der Regel ihre Stadt im Namen. Manches Finanzinstitut signalisiert durch seinen Namen weitreichendere Ambitionen, bleibt aber mit seinem Standort eng verbunden. So ist der Wettbewerb zwischen der Deutschen Bank und der Commerzbank um das Sponsoring und die Namensrechte des Stadions der Eintracht Frankfurt ein gesundes Zeichen eines gestiegenen Bewusstseins genau hierfür. Die letztlich erfolgreiche Deutsche Bank möchte zudem gemeinsam mit dem Verein neue digitale Geschäftsmodelle und Produkte entwickeln, die weit über das heutige Stadionerlebnis hinaus im Alltag der Menschen eine Rolle spielen. Man vermag sich vielseitig zu helfen.

Fußballvereine haben eben nicht bloß eine regionalwirtschaftliche Bedeutung. Sie sind ein nicht zu unterschätzender Faktor in der internationalen Wahrnehmung einer Stadt. Für Frankfurt am Main spielt „die Eintracht“ diese Rolle in den letzten Jahren überzeugend. Die Eintracht gehörte der ersten Fußball-Bundesliga bereits bei ihrer Gründung im Jahr 1963 an und steht in der ewigen Tabelle auf Platz 9. Seit 2017 konnte sie an die Glanzzeiten anknüpfen: Sie schaffte es zweimal ins Pokalfinale und in der Europa League bis ins Halbfinale. Das geht mit einer, seit dem Brexit, wieder gestiegenen Bedeutung des Finanzplatzes einher. War Frankfurt vor wenigen Jahren noch aus den Top 20 der internationalen Finanzplätze der Welt herausgefallen, so hat sich die Stadt wieder einen guten Mittelfeldplatz in ihrer Liga der Finanzplätze erobert.

Traditionell ist Fußball eine Männerdomäne. Für den Finanzplatz gilt dies allerdings nicht. Mit dem 1. FFC Frankfurt beheimatet Frankfurt am Main den erfolgreichsten Frauen-Fußballverein Deutschlands. Seit seiner Gründung 1998 errang die Mannschaft 20 Meisterschaften, darunter vier internationale Titel. Die vorgesehene Fusion mit Eintracht Frankfurt nach Abschluss der laufenden Saison unterstreicht die steigende Bedeutung des Frauenfußballs, der schon früh und weitsichtig von den Banken am Standort unterstützt wurde. 

Willkommen – so geht Integration

Fußball und Finanzen stehen beide für Internationalität und Weltoffenheit. Führende Fußballvereine und Finanzinstitute ziehen Talente aus aller Welt an. Nur eine erfolgreiche Integration schafft die Basis für wirtschaftlichen und sportlichen Erfolg. Und das schließt den Kreis zwischen Finanz und Fußball in Frankfurt am Main. Der Finanzplatz punktet mit der starken Wirtschaftskraft Deutschlands, der vielfältigen Banken- und Börsenlandschaft, der Kompetenz der Aufsichtsbehörden und der Zuverlässigkeit der Rechtsordnung. Eintracht Frankfurt punktet mit großer Reichweite, Emotion pur, übergreifender Integrationsfähigkeit und einem klaren gesellschaftlichen Profil. Im Zusammenspiel kommt es am Standort zu einem Powerhouse mit viel positiver Energie.   

Aus der Sicht der Mitarbeitenden spielen „soft factors“ eine wichtige Rolle beim Umzug. Die Menschen suchen eine Stadt, in der sie nicht nur arbeiten, sondern auch leben.  Eine Stadt, die über eine leistungsfähige Infrastruktur sowie ein vorbildliches Gesundheitssystem verfügt.  Eine Stadt ist ein Ort der Sehnsucht, ein Magnet, an dem man Partner und Freunde kennenlernen und Kinder großziehen kann und will. Frankfurt belegt im Mercer-Ranking der lebenswertesten Städte der Welt seit zehn Jahren Platz 7 – weit vor Metropolen wie New York, Tokio, Paris und London.

Sport und besonders Fußball ist das letzte „Lagerfeuer“ einer immer offeneren und diverseren Gesellschaft. Sportvereine sind daher oft der erste Anker in einer neuen Stadt. Corona wird vieles wandeln. Wo auch immer die Reise hingehen wird, das wird bleiben. Und dass sich Finanzplatz und Fußball dabei entfremden werden, darf auch ausgeschlossen werden.

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